Ich laufe jeden Tag einen Halbmarathon mit der ukrainischen Flagge, bis der Krieg vorbei ist.

Tetiana Grynova (37) nach ihrem 22. Halbmarathon am 30. März 2022.

Ursprünglich hatte ich geplant, im Sommer 2022 einen Guinness-Weltrekord aufzustellen. Ich wollte 120 Marathons in 120 Tagen laufen, aber am 24. Februar änderte sich alles. Mit Ausbruch des Krieges musste ich meinen Sohn Danya schützen und die Ukraine sofort verlassen. Zum Glück hörten wir weder Bomben, noch brauchten wir Schutz. Gleichzeitig fühlen sich viele Menschen auf der Flucht schuldig, als würden sie nicht genug für ihr Land tun.

Ich sage meinem Sohn, er braucht sich nicht schuldig zu fühlen, aber um ehrlich zu sein, fühle ich es mich selbst.”

Nachdem wir unsere Grundbedürfnisse befriedigen konnten und eine Bleibe in Amsterdam gefunden hatten, änderte ich den Zweck meines ursprünglichen Laufs (überflüssig zu erwähnen, dass ein Guinness-Rekord in diesen Zeiten keine Rolle mehr spielt). Mir ist klar geworden, dass ich aus dem Exil sogar noch mehr für mein Volk erreichen kann, als ich es vor Ort derzeit könnte. Jetzt sammle ich Spendengelder für ukrainische Wohltätigkeitsorganisationen: “Ich laufe jeden Tag einen Halbmarathon mit der ukrainischen Flagge, bis der Krieg vorbei ist. Heute ist Tag 22.”

Ich bin eine „ Frau auf der Flucht “ im doppelten Sinne – wörtlich und körperlich.

Als mein Sohn vor neun Jahren auf die Welt kam, habe ich mit dem Laufen begonnen. Es war zunächst ein Hobby, während ich hauptberuflich als Medienmanagerin und Journalistin arbeitete. Im Jahr 2020 entschied ich, mich in Vollzeit für wohltätige Zwecke zu engagieren und verkaufte meine Online-Medienplattform. Ich habe Kind Challenge als Nichtregierungsorganisation (NGO) gegründet, mit dem Ziel, Wohltätigkeitsorganisationen in der Ukraine zu unterstützen. Nun arbeite ich mit mehr als 100 ukrainischen gemeinnützigen Organisationen zusammen. Bis jetzt haben wir für verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen etwa 350.000 US-Dollar gesammelt (in ganz Europa): von krebskranken Kindern bis hin zu älteren Menschen, Tieren in Tierheimen, Menschen mit Behinderungen, Ökologie usw.

„Ich kann jetzt nicht nach Hause, 
Ich kann mich nicht auf Bücher konzentrieren, 
Ich kann keine Emotionen zulassen, 
aber ich kann immer laufen gehen. "

Beim Laufen finde ich Lösungen und habe neue Ideen. Laufen hilft mir, konzentriert zu bleiben, weil es um Disziplin geht – aber nicht nur, es geht auch um Hormone, Endorphin, Dopamin und so weiter. Ich bin davon überzeugt, dass Laufen nicht nur körperlich, sondern auch emotional sehr Nützliches für mich ist – es ist Zeit für mich.

Laufen ist meine Meditation und Medizin, ein toller Schub.

Jeder Mensch braucht eine Basis, besonders in dunklen Zeiten, wie wir sie jetzt haben. Menschen auf der Flucht frieren ihre Emotionen ein. Sie haben alles verloren und müssen sich eine neue Basis mit festen Traditionen, alltäglichen Ritualen und Zeitplänen erschaffen … Normalerweise lese ich viele Bücher, aber derzeit kann ich mich nicht auf lange Texte konzentrieren. Schade, denn es ist meine Leidenschaft. Jetzt ist Laufen meine Basis: Es ist super einfach und etwas, das man überall machen kann – außer an Orten, wo Bomben fallen… sagen wir „fast überall“. Und das war’s. Das ist die ganze Geschichte.


WIE MAN TETIANA HELFEN KANN:

Jede*r begeisterte Läufer*in weltweit kann der Gruppe „Run for Ukraine“ im Strava Club beitreten. Laufen Sie eine beliebige Distanz zwischen einem und 21,1 Kilometern mit einem selbst gewählten ukrainischen Symbol und posten Sie Ihren Lauf auf @Instagram mit dem Hashtag #runforukraine. Außerdem können Sie hier für wohltätige Zwecke spenden.


Interview: Sandy Bossier-Steuerwald/ Fotos ©: Marina Polovinkina

I run a half marathon with the Ukrainian flag every day until the war is over.

Tetiana Grynova (37) after her 22nd half marathon on March 30th, 2022.

Originally, I planned to set a Guinness world record in the summer of 2022. I was going to run 120 marathons in 120 days, but on February 24th everything changed. With the outbreak of the war, I had to take my son Danya and leave Ukraine immediately. Luckily, we did not hear bombs, nor did we need shelter. At the same time, almost all people on the run are feeling guilty, as if they are not contributing enough to their country.

I tell my son not to feel guilty, but to be honest, I feel guilty myself.”

After we had managed to satisfy basic needs and found a place to stay in Amsterdam, I changed purpose of the original run (obviously, the Guinness record currently is not of importance anymore). I have realized that I may achieve even more for my people from exile. Now, I raise money for Ukrainian charity: “I run a half marathon with the Ukrainian flag every day until the war is over. Today is day 22.”

I am a “Woman on the run” in both senses – literally and physically.

I started running nine years ago when my son was born. It was my hobby, while working as a media manager and journalist. In 2020, I decided to work full-time in charity and sold my online media platform. I started Kind Challenge as a non-governmental organization with the goal to aid charity in the Ukraine and I cooperate with more than 100 Ukrainian non-profits. Until now, we have been raising for different charities about $350,000 (all over Europe), – from children with cancer to elder people, animals in shelters, people with disabilities, ecology etc.

"I can't go home now, 
I can't concentrate on books, 
I can’t allow emotions, 
but I can always go running."

On the run I figure out solutions and I have new ideas. Running helps me to stay focused, because it’s about discipline – but not only, it’s also about hormones, endorphin, dopamine and so on. I am convinced that running is something super useful for me, not only physically but also emotionally – It’s time for myself.

Running is my meditation and medicine, a great boost.

Every human being needs a base, especially in dark times, as we have now. People on the run freeze their emotions. They have lost everything and need to find a stable base with tradition, rituals, schedules… Usually, I read a lot of books, but currently I cannot focus on long texts. It’s a shame because it’s my passion. Now, running is my base: It’s super simple and something you can do everywhere. Well, except in places where bombs are falling, let’s say “almost anywhere” … And that’s it. That’s the whole story.


HOW TO HELP TETIANA:

Everybody around the world may join the group “Run for Ukraine” at strava club. Run any distance from one to 21.1 kilometres with any Ukrainian symbol and post your run @Instagram with the hashtag #runforukraine. In addition, you may donate for charity here.


Interview Sandy Bossier-Steuerwald/ Photos ©: Marina Polovinkina