On stage you must smile, but when I danced the waltz, tears ran down my face.

Anastasia Gladun, a professional ballet dancer from Kiev, is stranded in New York City in the year 2022.

The ballet tour was in its third week when the war broke out. We were traveling around the United States by bus, performing “Swan Lake” in a different city every day. On February 24, we had just finished 14 shows out of 50, and – to be honest – I don’t even remember the city we were in that night. But I do remember sitting in my hotel room after the play, taking off my makeup. Around 11 p.m., my Russian roommate, who was sitting next me told me that her country had attacked Ukraine. We both couldn’t believe it.

The ballet tour continued despite the war in Ukraine: “The show must go on!”

I had started dancing as a child. My ballet teacher was of the old type, very good at it, and yet I stopped at the age of 12. Later, as a student of economic theory, the wish to dance came up again. It was a physical desire that I could no longer ignore. I found ways to learn quickly and make up for the missed years. While I was successfully working as a brand manager and finishing my study, I went to a dance class every night. At some point, I was at a crossroads and quit my job. I had understood that my life related to the dance – I cannot live without it.

The “Swan Lake” tour kept on running as planned for 2.5 months in 2022. People had bought tickets, so we performed as usual. For me it was good to have work because you can’t digress with your terrible thoughts. During rehearsals you must be fully present – on stage you should smile. And yet, during the waltz, tears ran down my face. My dance partner whispered, “We are actors, you have to act!” But at that time, everyone was shocked, we were all crying, on and off stage. Sometimes someone would give a short memorial speech or a moment of silence before the performance of Swan Lake, but I can assure you:

No meaningful slogan can undo the apocalyptic feelings inside.

Over the next few weeks, I slept very little, and I began to live with my phone: I constantly followed the news. I texted with my sister, who is on the run with her six-month-old baby and my mother, and prayed for my father and brother, who stayed Ukraine. I often cried until 4 a.m., got up early, traveled, and performed again. During that difficult time, I asked myself:

What is the meaning of life,

if you build a good life for yourself

but someone else has the power

to destroy it arbitrarily and ruthlessly?

From 2015 to 2020 I got to travel a lot – to Lebanon, Israel, China, and Europe. I took part in the filming of Disney’s “Dumbo” in London, a great childhood dream. For two years I was on the road more than at home in Kiev, but corona gave everything a break. When I got the contract for the Swan Lake USA tour in 2022, I was very grateful. In February I said goodbye to my mother in Ukraine: “See you in April!”

I felt like falling backwards, deeper and deeper, into some dark place.

With the war going on all airports in Ukraine were closed. I realized that I could not fly back home. My original return flight from L.A. to Kiev on April 10th was cancelled, and suddenly I found myself in official “Temporary protection Status.” Stranded in the U.S., I had to figure out what to do with myself. Before the war, I had loved setting goals, moving forward step by step, but now I had lost the joy of living. I was afraid of my own thoughts, which kept wandering back home…

When we had a day off from “Swan Lake” in Houston, Texas, I went to this bookstore called “Barnes & Noble”. I found a book called “Men’s searching for meaning” by an Austrian psychologist Viktor Frankl, who had survived a concentration camp during World War II. He talked about his imprisonment and how important it was to have a purpose in life to survive. This inspired me a lot and I realized that I must stop feeling sorry for myself. I decided to make the best of the situation, you know:

The one place in the world I’ve always wanted to go is New York.


Interview: Sandy Bossier-Steuerwald, Photo ©: Private

Auf der Bühne muss man lächeln, aber als ich den Walzer tanzte, liefen mir Tränen übers Gesicht.

Anastasia Gladun, eine professionelle Balletttänzerin aus Kiew, ist im Jahr 2022 in New York City gestrandet.

Unsere Balletttournee ging in die dritten Woche, als der Krieg ausbrach. Wir reisten mit dem Bus durch die Vereinigten Staaten und führten jeden Tag „Schwanensee“ an einem anderen Ort auf. Am 24. Februar hatten wir gerade mal 14 von 50 Shows beendet, und – um ehrlich zu sein – ich kann mich nicht einmal mehr an die Stadt erinnern, in der wir uns an diesem Abend aufhielten. Aber ich erinnere mich, dass ich nach der Aufführung in meinem Hotelzimmer saß und mich abschminkte. Gegen 23 Uhr erzählte mir meine russische Mitbewohnerin, die neben mir saß, dass ihr Land die Ukraine angegriffen habe. Wir konnten es beide nicht fassen.

Die Balletttournee ging trotz des Kriegs in der Ukraine weiter: „The show must go on!“

Ich hatte schon als Kind angefangen zu tanzen. Meine Ballettlehrerin war noch vom alten Schlag, sehr gut in ihrem Metier, trotzdem hörte ich mit zwölf Jahren mit Ballet wieder auf. Erst später, als Studentin der Wirtschaftstheorie, kam der Wunsch zu Tanzen wieder auf. Es war ein körperliches Verlangen, das ich nicht länger ignorieren konnte. Ich fand Wege, schnell zu lernen und die verpassten Jahre nachzuholen. Während ich erfolgreich als Markenmanagerin arbeitete und mein Studium beendete, ging ich jeden Abend zum Tanzkurs. Irgendwann stand ich an einem Scheideweg und kündigte meinen Job. Ich hatte verstanden, dass mein Leben mit dem Tanz zusammenhängt – ich kann ohne ihn nicht leben.

Die „Schwanensee“-USA-Tournee 2022 lief insgesamt 2,5 Monate. Die Menschen hatten Tickets gekauft, also traten wir wie geplant auf. Für mich war es gut, das Tanzen zu haben, weil ich währenddessen fokussiert bin und meine Gedanken nicht ins Düstere abschweifen können. Bei den Proben muss man voll präsent sein – auf der Bühne sollte man lächeln. Und doch liefen mir Tränen übers Gesicht, als ich den Walzer tanzte. Mein Tanzpartner flüsterte: „Wir sind Schauspieler, du musst funktionieren und dich zusammenreißen!“ Aber in dieser Zeit waren alle so geschockt, wir haben zusammen geweint, auf und hinter der Bühne. Manchmal hielt jemand vor der Aufführung eine kurze Gedenkrede oder eine Schweigeminute, aber ich kann Ihnen versichern:

Kein sinnvoller Slogan vermag die apokalyptischen Gefühle im Inneren zu stoppen.

In den nächsten Wochen schlief ich sehr wenig und fing an, symbiotisch mit meinem Handy zu leben: Ich verfolgte ständig die Nachrichten. Ich schrieb meiner Schwester, die sich mit ihrem sechs Monate alten Baby und meiner Mutter auf der Flucht befand, ständig Kurznachrichten und betete für meinen Vater und meinen Bruder, die in der Ukraine geblieben sind. Ich habe oft bis vier Uhr morgens geweint, bin nach wenig Schlaf wieder aufgestanden, gereist und wieder aufgetreten. In dieser schwierigen Zeit habe ich mich gefragt:

Was ist der Sinn des Lebens,

wenn du dir ein gutes Leben aufbaust

aber jemand anderes hat die Macht

es willkürlich und rücksichtslos zu zerstören?

Von 2015 bis 2020 durfte ich viel reisen – in den Libanon, nach Israel, China und Europa. Ich war bei den Dreharbeiten zu Disneys „Dumbo“ in London dabei, mein großer Kindheitstraum wurde wahr. Zwei Jahre lang war ich mehr unterwegs als zu Hause in Kiew, aber Corona bescherte diesem Leben eine Zwangspause. Als ich 2022 den Vertrag für die Schwanensee- Tour unterzeichnete, war ich sehr dankbar. Im Februar verabschiedete ich mich von meiner Mutter in der Ukraine mit den Worten: “Wir sehen uns im April!”

Ich fühlte mich, als würde ich rückwärts fallen, tiefer und tiefer, in ein dunkles Loch.

Seit Kriegsbeginn sind alle Flughäfen in der Ukraine geschlossen. Mir wurde klar, dass ich nicht nach Hause zurück fliegen konnte. Mein ursprünglicher Rückflug von Los Angeles nach Kiew am 10. April 2022 wurde annulliert, und plötzlich fand ich mich im offiziellen „vorübergehenden Schutzstatus“ wieder. In den USA gestrandet, musste ich herausfinden, was ich mit mir anfangen sollte. Vor dem Krieg hatte ich es geliebt, mir Ziele zu setzen und Schritt für Schritt voranzukommen, aber jetzt hatte ich die Freude am Leben verloren. Ich bekam Angst vor meinen eigenen Gedanken, die immer wieder nach Hause wanderten …

Als wir einen freien Tag von „Schwanensee“ in Houston, Texas, hatten, ging ich in einen Buchladen namens „ Barnes & Noble“. Ich fand ein Buch mit dem Titel „Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn“ des österreichischen Psychologen Viktor Frankl, der im Zweiten Weltkrieg ein Konzentrationslager überlebt hatte. Er sprach über seine Gefangenschaft und wie wichtig es sei, einen Sinn im Leben zu haben, um zu überleben. Das hat mich sehr inspiriert und mir wurde klar, dass ich aufhören muss, mich selbst zu bemitleiden. Ich habe beschlossen, das Beste aus der Situation zu machen, wissen Sie:

Der eine Ort auf der Welt, von dem ich schon immer träumte, ist New York.


Interview: Sandy Bossier-Steuerwald, Foto ©: Privat